Gertrude ist ein kleines, süßes Mädchen mit grüner, gelockter Haarpracht samt Schleifchen und bonbonfarbenen Kleidchen, das sich eigentlich nichts weiter wünscht als in einer Welt „voller Wunder, Magie, Lachen und Freude“ zu leben. Gesagt, getan. Ihr niedlicher, rosa Teppich öffnet seinen Schlund und bugsiert sie in eine völlig knallige und phantastische Parallelwelt, die sich Fairyland nennt.
In Fairyland begrüßen sie die knuffigen, stoffeligen Bürger samt Königin Cloudia höchstpersönlich. Das Oberhaupt hat für Gert eine Aufgabe: Sie gibt ihr den treuen Begleiter Larrigon Wentsworth III. (eine Art Fliege) und eine geografische Karte an die Hand, mit deren Hilfe sie einen Schlüssel finden muss. Besagter Schlüssel öffnet das Tor, das zurück in ihre reale Welt führt. Ohne Schlüssel – kein Entkommen. Zur Lösung der Aufgabe sind ca. 2 Bogglezig (ca. zwei Tage in Fairyland) angesetzt.
Schleck mich, Fairyland
Alles könnte so schön sein: Das Karamell-Meer, die Eiscreme-Insel – also Süßigkeiten zum Abwinken – und nette knuddelige Bewohner zum Spielen. Tja, Gert ist entweder nicht die Hellste oder die Schnellste, denn ganze 27 Jahre später steckt sie immer noch in Fairyland fest und findet den verflutschten Schlüssel einfach nicht. Sie scheint die nicht enden wollende Niederlage nicht gut wegzustecken. Äußerlich um keinen Tag gealtert, ist sie immer noch das niedliche, kleine Mädchen, aber innerlich brodelt es dicke und sie könnte Regenbögen kotzen. Mit nun Mitte 30 lässt sie keine Gelegenheit aus, um ein regelrechtes Massaker anzurichten. Dabei nimmt sie auf niemanden oder etwas Rücksicht, selbst der Mond und die Sternen müssen dran glauben – kurzerhand legt sie alle in einem Wutausbruch um.
Dass sich Gert so keine Freunde macht, ist nicht verwunderlich. Die Bewohner und Königin Cloudia sind genervt und möchten sie schnellstmöglich loswerden – egal mit welchem Mittel. Das Problem: Die „Bücher Aller“ schreiben vor, dass keinem Gast ein Haar gekrümmt werden darf. Gert ist nun mal ein Gast, auch wenn sie sich nicht zu benehmen weiß.
Wer zum Donut ist Happy?
Nachdem zwei Anschläge auf Gert misslungen sind, müssen härtere Geschütze aufgefahren werden. Der perfide Plan der Königin ist simpel und einfach: Sie laden ein zweites Mädchen nach Fairyland ein, die nach ein paar Stunden schon viel näher ans Ziel (und somit an den Schlüssel) gekommen ist als Gert in 27 Jahren. Wenn Happy den Schlüssel zuerst findet, wird Gert automatisch ein Bürger Fairylands, genießt keine Immunität mehr und kann zum Abschuss freigegeben werden. Gert durchschaut den Plan und ihr Ehrgeiz ist geweckt: Diese verschmückte Happy muss doch zu schlagen sein (im wahrsten Sinne des Wortes).
Verflufft gut
Tatsächlich habe ich mir den Comic gekauft, da er einfach so peppig bunt aussah, dass ich einen Blick reinwerfen musste. Die Story ist so abgefahren und lustig – ich habe mich weggeschmissen. Das supersexy, überbunte Layout, die Story und die miesepetrige Gert, die mein volles Mitleid hat, sind genial. Ich würde mit Sicherheit auch durchdrehen, wenn ich in dieser feen-bestäubten, heilen Welt leben müsste und einfach diesen blöden Schlüssel nicht finden würde – 27 Jahre lang! Ich ernähre mich nur von Süßkram, habe schlecht Zähne, sehe immer noch aus wie ein Mädchen – da bekommt man doch automatisch immer schlechtere Laune. Eine Kompensation auf derart brutale Weise ist vielleicht etwas übertrieben, aber durchaus unterhaltsam und verdammt kurzweilig. Gert, die in jungen Jahren noch kaum Schulbildung genossen hat und lustigerweise auch auf diesem Niveau samt Fairyland-Einfluss flucht (Verflufftt nochmal! Fluff dich! Ich reiß dir den Mars auf!), ist Antiheldin hoch drei und genießt meine volle Aufmerksamkeit: Brutalo-Kid auf Aggressionsbewältigung. Für mich passt hier alles zusammen.
Ganz ehrlich: für 14,00 € kann man hier nicht meckern. Wertiger Druck, geile Zeichnungen und eine brillante Farbgebung. Ich konnte gar nicht aufhören die Seiten anzustarren – super Umsetzung der Story – skurril, mit viel Liebe zum Detail.
Skottie Young
Der Künstler, der wohl eher bekannt für seine Zeichnungen für Marvel ist, hat hier ein absolut zutreffendes Werk geschaffen, das völlig überdreht und satirisch angelegt ist. Der ein oder andere Seitenhieb auf das Familienidyll anderer Geschichten und Märchen für Kinder bleibt nicht aus, dennoch ist es natürlich ein Comic für (fast) Erwachsende, der komischerweise völlig selbstverständlich rabiat und blutrünstig um die Ecke kommt – und das kein bisschen gekünstelt.
Wie im Abspann nachzulesen ist, war es schon lange Youngs Traum eine eigene Comic-Serie zu veröffentlichen. Inspiriert wurde er von seiner Adaption von Der Zauberer von Oz und der Überlegung, wie es wohl wäre, wenn Dorothy ewig lange in Oz geblieben wäre. Aus Dorothy sollte erst ein Mann werden, dann ist schlussendlich Gertrude auf der Bildfläche erschienen. Sie hasst Fairyland – ich liebe es!
Was genau?
Titel: I hate Fairyland
Autor & Zeichner: Skottie Young
Koloration: Jean-Francois Beaulieu
Verlag: POPCOM
Genre: Adventure, Comedy
Seiten: 144, Hardcover
Alter: 16+
Preis: 14,00 €
Leseprobe gibt es hier